Über das Schreiben
Erfahrt hier, wie sich das Schreiben auf eure Gesundheit auswirken kann und lest ein paar Tipps für Schreibanfänger*innen
Die heilsame Kraft des Schreibens
„Jeder kann kochen“ heißt es im großartigen Pixar-Animationsfilm „Ratatouille“. Ich bin der Meinung, dass jede/r nicht nur kochen, sondern auch schreiben kann, unabhängig von Talent, Erfahrung oder Rechtschreibfähigkeit. Natürlich steckt nicht in jedem Menschen eine Schriftstellerin/ein Schriftsteller, doch niemand ist gezwungen für den Massenmarkt zu schreiben. Warum nicht einmal für die Partnerin/den Partner schreiben, für die Kinder, für Freunde oder einzig und allein für sich selbst? Dabei kann man eine Menge lernen, vor Allem über die eigene Person.
Wann immer ihr emotional aufgewühlt seid, scheut euch nicht davor, dies aufzuschreiben. Das mag anfangs ungewohnt sein, doch es schadet auch nicht. Wenn ihr sorgenvoll in die Zukunft schaut, in einer toxischen Beziehung feststeckt, unglücklich mit eurer Arbeitssituation seid oder mit einem schlimmen Ereignis fertig werden müsst, wenn ihr traurig seid, verängstigt, wütend oder verzweifelt, nehmt euch Stift, Papier und eine halbe Stunde Zeit und schreibt einfach drauf los. Ihr braucht dabei keinen Plan, keine Struktur, keine Rechtschreibung. Schreibt euch einfach den ganzen Frust von der Seele. Lasst euren Emotionen freien Lauf. Ihr werdet staunen, wie befreiend das ist. Packt eure Notizen anschließend gut weg. Wenn ihr mögt, könnt ihr sie ein paar Tage später und die beschriebenen Gefühle, Sorgen, Probleme mit eurer aktuellen Situation vergleichen. Möglicherweise seht ihr manche Aspekte anders. Möglicherweise erlangt ihr Erkenntnisse über eure Bedürfnisse, über die Ursachen für eure Probleme, über eigene Fehler. Vielleicht könnt ihr davon ableiten, was ihr tun könnt, um euch aus schwierigen Lebensumständen zu befreien, um Ziele festzulegen, um Ideen zu entwickeln.
Diese Art der Selbstreflexion kann euch helfen, eure Ausgeglichenheit zu fördern oder Überreaktionen zu vermeiden, sogar schwere Traumata zu verarbeiten. Letzteres sollte allerdings nur mit Unterstützung erfahrener Psychotherapeut*innen vorgenommen werden, um die erlittenen Traumata nicht noch zu verschlimmern. In weniger schwerwiegenden Lebenslagen können einfache Schreibaufgaben dabei helfen, psychisch gesund zu werden und zu bleiben, wie sie beispielsweise von Prof. Dr. med. Silke Heims in ihrem Ratgeber „Ich schreibe mich gesund“ beschrieben werden. Seht euch hierzu gerne meine Buchempfehlungen an.
Tipps für Anfänger*innen
Ihr wollt selbst eine Geschichte schreiben, wisst aber nicht, wie ihr Anfangen sollt? Vielleicht helfen euch die nachfolgenden Tipps, um den Anfang zu machen. Der Rest kommt meistens von ganz alleine.
Es beginnt mit einer Idee
Wollt ihr schon seit langem einen eigenen Krimi schreiben? Oder eure Lebensgeschichte für die Nachwelt konservieren? Vielleicht möchtet ihr eigene Rezepte in einem hübschen Kochbuch zusammenfassen oder euer Fachwissen zu einem bestimmten Thema teilen. Wahrscheinlich habt ihr schon mehrere Einfälle, wie ihr die Seiten füllen wollt. Ideen zu Figuren und Szenen, interessante Dialoge oder auch Kapitel zu bestimmten Aspekten eures Fachgebiets. Schreibt sie euch auf! Ich persönlich trage immer ein Notizbuch bei mir. Nicht selten hatte ich einen Geistesblitz, den ich unglaublich gut fand, aber nicht aufschrieb. Am nächsten Tag hatte ich den Einfall wieder vergessen. Mir blieb nur das unangenehme Gefühl, eine gute Idee unwiederbringlich verloren zu haben.
Der schwierige Anfang
Eine der schwierigsten Hürden, die angehende Autor*innen zu bewältigen haben, ist mit dem Schreiben zu beginnen. Die Lösung ist denkbar einfach: Einfach drauflos schreiben. Hierbei ist es völlig egal, ob es sich um das Vorwort handelt, eine Szene mittendrin oder die wissenschaftliche Abhandlung eines Themas in einem weit fortgeschrittenen Kapitel. Auch müsst ihr euch an dieser Stelle noch keine Gedanken über die Textqualität machen. Es zählt einzig und allein, dass ihr in einen Schreibfluss kommt. Also macht euch frei von allen Bedenken und haut in die Tasten!
Texte entwickeln
Das Schreiben ist ein kreatives Handwerk. Und so gibt es eine Fülle von möglichen Herangehensweisen, um einen Text zu verfassen. Daher sind die folgenden Tipps nicht als goldene Regeln zu verstehen, sondern beruhen auf meiner eigenen Erfahrung. Es liegt an euch, die für euch besten Methoden für das Schreiben eurer Werke zu finden und weiterzuentwickeln.
Es hilft sehr, erfolgreiche Literatur des Genres zu lesen, in dem man schreiben möchte. Hierbei geht es nicht darum, andere Autor*innen zu kopieren, vielmehr kann man ableiten, was an den Werken besonders interessant ist, wie ein guter Handlungsbogen aussieht, wie Sachbücher strukturiert sind und vieles mehr.
Zählt ihr euch zu den sogenannten Bauchschreibern, steht es euch frei, einfach nach Lust und Laune loszulegen und erst während des Schreibprozesses zu schauen, wo eure Geschichte hinführt. Gerade für Schreibanfänger ohne Verpflichtung ist dieses Vorgehen nicht verkehrt. Seid ihr mehr Planschreiber, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, Plot und Figuren zu entwickeln. Idealerweise habt ihr bereits eine Vorstellung davon, wie eure Geschichte beginnt und wie sie endet. In dem Fall ist es hilfreich, sie in Akte und innerhalb derer in Szenen zu unterteilen. Die 5-Akt-Struktur kann beispielsweise so aussehen:
1. Akt: Einleitung – Figuren und Setting werden vorgestellt. Beim Lesen ist das Genre klar erkennbar.
2. Akt: Erster Wendepunkt – Hauptfigur gerät in Schwierigkeiten und muss handeln. Der zentrale Konflikt des Romans wird deutlich.
3. Akt: Mittelpunkt – Neue Aspekte treiben die Handlung voran. Das Setting wird verlegt, Geheimnisse werden gelüftet.
4. Akt: Zweiter Wendepunkt – Die Spannung steigt. Die Figuren müssen kämpfen, um ihren Zielen näher zu kommen.
5. Akt: Höhepunkt – Der Showdown. Die Hauptfigur stellt sich ihrer Angst, kämpft gegen den Hauptgegner, gewinnt oder verliert und ist fortan für immer verändert.
Innerhalb der Akte gilt es, die Geschichte in Szenen einzuteilen. Da diese sich mit zunehmenden Schreibfortschritt gerne verändern, wachsen und neue Szenen fordern und es schnell sehr unübersichtlich wird, ist es ratsam, sich früh einen Szenenplan zuzulegen. Hierbei können einzelne Szenen stichwortartig und um die wichtigsten Eckdaten erweitert auf Klebezettel notiert und an die Wand geklebt werden. Wer unterwegs schreibt, kann auf eine digitale Alternative zurückgreifen und die Szenen in Kästchen auf einer Präsentations-Software (z. B. MS Powerpoint) festhalten. Beide Methoden erlauben es, die Szenen immer wieder beliebig zu sortieren, ohne dabei den roten Faden der Geschichte zu verlieren.
Ein Plot steht und fällt mit den Figuren, die ihn vorantreiben. Ohne interessante Prota- und Antagonisten ist die Handlung nur eine lose Aneinanderreihung von Ereignissen. Doch wie schreibt man vielschichtige Figuren, die selbst lange nach Beendigung der Lektüre im Gedächtnis bleiben? Darüber wurden etliche Bücher geschrieben und es ist unmöglich, so ein vielseitiges Thema in wenigen Zeilen abzuhandeln. Zudem hat jede erfahrene Autorin und jeder erfahrene Autor ihre bzw. seine eigene Herangehensweise zur Erschaffung komplexer Charaktere. Vielen gemein ist, dass sie in ihren Figuren mehr sehen, als nur notwendige Personen, die den Handlungsstrang voranbringen. Indem sie ihnen eine Vergangenheit geben, Wünsche, Ängste, Freunde, Leidenschaften, Probleme, Handycaps, Karrieren, Niederlagen, Talente, Fehler, Marotten, Erinnerungen, Traumata. Diese Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen. Die Profis geben ihren Charakteren all das, was sie zu Persönlichkeiten macht und halten dies in einem Steckbrief fest. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die einzelnen Aspekte in der Handlung thematisiert werden. Sie beeinflussen sie einzig durch die Tatsache, dass sie existieren. Ganz klar: Ein Held, der sonst jeder Gefahr ins Gesicht lacht, verhält sich bei einem Hausbrand anders, wenn er schon einmal jemanden durch ein Feuer verloren hat. Oder wenn er kleine Kinder zu versorgen hat. Wenn für ihn etwas auf dem Spiel steht. Dann rennt er nicht blindlings in die Flammen, um die Katze zu retten, die jämmerlich im Fenster des Obergeschosses miaut, sondern sucht lieber nach einer Leiter. Vielleicht ist die Furcht vorm Feuer ja so groß, dass er die Katze gar nicht retten kann. Oder er überwindet seine Angst und rettet die Katze im letzten Moment.
Erstellt solche Steckbriefe nicht nur für eure Held*innen. Auch Nebenfiguren und Gegner lassen sich so nuancierter darstellen. Ein gefährlicher Psychopath ist viel interessanter, wenn eine tragische Geschichte hinter seinem Handeln in der Geschichte steckt, als wenn er einfach nur böse ist, um böse zu sein.
Übrigens lassen sich auch Institutionen und Orte sehr gut mittels Steckbrief ausarbeiten.
Wichtig für die Leserschaft eurer Geschichte ist es, die Motivation der Figuren klar erkennen zu können und den auslösenden Moment für ihre Handlungen mitzuerleben. Das macht es leichter, sich mit den Protagonist*innen zu identifizieren. Zudem sollten zumindest die Held*innen über besondere Eigenschaften verfügen, und vor Allem handeln. Lasst eure Figuren richtig leiden, gebt ihnen, was sie am meisten fürchten und zwingt sie dazu, über sich hinaus wachsen. So werden Helden*innen geboren!
Ist mein Text gut?
Eine Frage, die so ziemlich jede Autorin und jeden Autoren in ihrer/seiner Anfangszeit immer wieder beschäftigt, ist die, ob der eigene Text zu etwas taugt. Immer wieder verfolgen einen die Unsicherheit, ob die Geschichte genug bietet, um veröffentlicht zu werden oder ob man das Schreiben lieber ganz sein lassen sollte. Grundsätzlich gilt: Das Schreiben an sich ist niemals verkehrt, egal, ob es zu einer Veröffentlichung kommt. Um nun herauszufinden, wie das eigene Geschriebene bei der Leserschaft ankommt, gibt es eigentlich nur einen Weg: Lasst es lesen. Gebt den Text oder Teile davon an Testleser und holt euch Feedback. Achtet dabei darauf, dass es sich nicht um Leute handelt, die alles gut finden, was ihr macht, denn von ihnen bekommt ihr keine konstruktive Kritik. Wendet euch an Viellesende oder Menschen, die in der Buchbranche tätig sind. Wenn ihr in eure Geschichten Themen einfließen lasst, die nicht zu eurem Fachgebiet gehören, scheut euch nicht davor, Expert*innen um Rat zu fragen, ob eine bestimmte Szene realistisch dargestellt wird. Wie ihr an solche Menschen herankommt, wenn sie nicht in eurem Umfeld vorkommen? Vernetzt euch in Schreibgruppen, z. B. auf Facebook. In den großen Weiten des www gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich zu vernetzen und über Kontakte wertvolle Hilfe zu erhalten.
Phänomen Ideenklau
Immer wieder höre ich von Autor*innen, die sich nicht trauen, ihre Texte Testlesern zu überlassen, weil sie befürchten, ihre Ideen könnten von jemand anderem aufgegriffen werden. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass die gleichen Ideen durchaus von verschiedenen, voneinander unabhängigen Personen entwickelt werden können. Auch zeitgleich. Nehmt nur die vielen Erfindungen, die parallel auf unterschiedlichen Teilen der Welt entstanden sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass es, extrem selten vorkommt, dass Geschichten, Figuren oder Handlungsstränge „gestohlen“ werden. Und falls doch ein Testleser eine Idee übernehmen sollte: Niemand kann einen Besitzanspruch auf Einfälle erheben. Zudem ist es fraglich, was die andere Person aus dieser Idee macht. Im besten Fall habt ihr bereits einen eigenen Schreibstil entwickelt, an dem ihr erkannt werden könnt, daher wird niemand außer euch eure Konzepte so umsetzen wie ihr. Natürlich ist es theoretisch möglich, einen Text eins zu eins zu kopieren und als eigenen zu verkaufen, was ja immer wieder bei Doktorarbeiten deutscher Politiker*innen nachgewiesen wird, doch ihr könnt euch davor schützen. Verschickt ihr eure Leseproben beispielsweise per Email, könnt ihr anhand des Datums immer nachweisen, dass der Stoff bereits auf eurem Rechner existiert hat, bevor der Ideendieb einen Bestseller daraus geschrieben hat.
Was tun bei Schreibblockaden?
Ihr wollt schreiben, aber die Seiten bleiben leer? Diese Maßnahmen können helfen:
- Kommt ihr bei einer bestimmten Szene nicht voran, dann lasst sie liegen und schreibt eine andere. Oft ergeben sich die Lücken später von ganz alleine.
- Sprecht mit anderen Personen. Fragt sie beispielsweise, wie sie an Stelle eurer Protagonist*innen ein Problem lösen würden.
- Macht eine Pause. Beschäftigt euch eine Zeit lang mit etwas anderem. Macht eine Achtsamkeitsübung.
- Lernt bewusst wahrzunehmen. Macht einen Spaziergang ganze ohne Smartphone, Musik oder sonstiger Ablenkungen. Beobachtet dabei die Menschen und Tiere in eurer Nähe. Seht euch die Bauweisen der Gebäude an, schenkt den Blumenbeeten eben soviel Aufmerksamkeit wie den Abfallhaufen, achtet auf Details, wie die abblätternde Farbe auf der Parkbank. Lauscht den Stimmen um euch herum, den Vogelgesängen, den Straßenbahnen, dem Windrauschen. Spürt Wind, Regen und Sonne auf der Haut, streicht mit den Händen über ein altes Mauerwerk. Riecht die Auslage des Gemüsehändlers, an dem ihr vorbeikommt. Kauft euch eine exotische Frucht und schmeckt bewusst alle Nuancen heraus. Inspiration ist überall!